MUT ZUR WILDNIS

Der amerikanische Schriftsteller Edward Abbey schrieb in Desert Solitaire: „Wildnis ist kein Luxus, sondern ein Bedürfnis des menschlichen Geistes, so lebenswichtig wie Wasser und gutes Brot. Eine Zivilisation, die das Wenige zerstört, was von der Wildnis übrig ist, das Spärliche, das Ursprüngliche, schneidet sich selbst von ihren Ursprüngen ab und begeht Verrat an den Prinzipien der Zivilisation.“

Echte Wildnis gibt es auf unserem Planeten nur noch selten. Der Mensch ist auf dem Vormarsch und die wunderbare Welt der ursprünglichen Natur wird immer kleiner. Heute schmücken dicht besiedelte Landstriche und große Industriefarmen diesen ehemals so prächtigen und weitläufigen Planeten. Ich denke oft darüber nach wie die Welt wohl aussehen wird, in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren.

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Wird es in Zukunft noch genügend Platz für urgewaltige Landschaften geben?

Aber nicht nur in der Zukunft werden die Ausdehnungen dieser einmaligen Landschaften immer kleiner, denn auch schon heute ist es nicht leicht, menschenleere und wilde Gebiete auf der Erde auszumachen. Ich bin permanent auf der Suche nach einsamen, unberührten Orten an denen man über hunderte von Kilometer in die Ferne blicken kann und an denen man in der Dunkelheit keine Lichter mehr am Horizont zählen muss. Hier auf meinem Blog berichte ich regelmäßig über diese wunderschönen Orte, die von natürlichen Prozessen beherrscht werden und an denen die Macht der Natur regiert. Ich möchte ein Bewusstsein für die Kraft, Einzigartigkeit und Kostbarkeit dieser Oasen schaffen. Weit weg von der Zivilisation gibt es noch immer kleine eigenständige Welten, die ohne menschlichen Eingriff und Infrastrukturen existieren und in denen wir uns wohl fühlen können.

Laut der Studie von "Last of the wild", die 2005 von der Wildlife Conservation Society und dem „Center for International Earth Science Information Network“ an der Columbia University in New York veröffentlicht wurde beträgt der Wildnisanteil auf der Erde, also die gänzlich unberührte Natur, nur noch 16% (ohne Berücksichtigung der Antarktis). Es sind zum Beispiel nur noch 4% der gesamten Alpen als reines Wildnisgebiet definiert. Durch die zunehmende Erschließung, unter anderem durch Skigebiete, wird dieses Gebiet auch in Zukunft weiter schrumpfen. Im dicht besiedelten Mitteleuropa gibt es im Prinzip nahezu keine unberührten Flecken Erde mehr. Wir berauben uns immer mehr unserer eigenen Heimat und mit dem Verschwinden der Wildnis wird auch unsere Verbindung mit unserem eigenen Ursprung immer kleiner.

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Nur noch 4% der Alpen sind als reines Wildnisgebiet definiert.

WAS IST ÜBERHAUPT WILDNIS?

Für mich ist die Wildnis der Innbegriff für weite, unberührte und menschenleere Landschaften. Es sind die unbebauten und unkultivierten Gegenden die voll von Magie stecken. Die Wildnis ist ein Ort, an dem man die kleinen Dinge sieht, die man sonst nicht wahrnimmt. Fern vom Schleudersitz des Alltags, findet man in der einsamen Naturlandschaft die innere Klarheit. In der Wildnis ist man kein Roboter, der nur funktionieren muss, sondern man ist ein Mensch, der ein Teil der Natur ist. Die Wildniswelt, wie sie lange vor uns existiert hat und wie sie auch noch lange nach uns existieren wird, ist das wahre Leben. Es ist der totale Kontrast zur modernen Zivilisation. Es existiert keine Hektik, keine Regeln und kein voller Terminkalender. Man darf so sein wie man gerne möchte ohne sich dabei zu verstellen. Die Zeit vergeht nicht wie zuhause im Fluge, denn in der Abgeschiedenheit bekommt man ein neues Gefühl dafür wieviel Zeit wir wirklich auf diesem Planeten haben. Echte Wildnis ist der einzige wahre Ort und er ist der große Raum für Freiheit und Ballastlosigkeit.

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Eine Wildnislandschaft in Uganda.

WIR ALLE SIND WILD

In unserer hektischen und leistungsorientierten Welt wird viel optimiert und kontrolliert. Jeder Baum, jeder Stein und jeder Millimeter Erde ist registriert und wird auf Veränderungen beobachtet. Was früher noch als Synonym für Wildnis stand ist heute nur noch traurige Kulturlandschaft. Überall hat der Mensch seine Finger im Spiel und es fällt ihm schwer der Natur sich selbst zu überlassen. Während wir unaufhaltsam immer mehr wilde Landschaften erschließen und den Planeten ausbeuten, betreiben wir in unserer noch verbliebenen Natur exzessive Landschaftspflege. Wir bekämpfen Insekten, fällen Bäume, errichten Gipfelkreuze und sind ein fester Bestandteil mit maßgeblichen Einfluss auf unser Ökosystem geworden. Wieso berauben wir uns unserer eigenen Natur? Aus Wildnis wird Nutzfläche und damit verschwindet auch unsere innere Verbundenheit zur Natur. Dabei steckt in jedem von uns noch immer ein kleines Überbleibsel aus einem vergangenen Menschenzeitalter. Wir waren Jäger und Sammler, sind auf Bäume geklettert, durch Büsche marschiert und haben uns intensiv mit der Natur beschäftigt. Heute jagen wir nur noch dem guten Geld hinterher und fahren mit schnellen Autos auf asphaltierten Straßen durch wunderschöne Naturparadiese. Und noch viel schlimmer - wir haben den Mut verloren in die Wildnis aufzubrechen. Wir sind entfremdet und haben Angst vor dem Unbekannten, aus dem wir mal entstanden sind. Spinnen sind ekelig, Schnecken glitschig, draußen wird man dreckig, und sowieso ist das Leben in der Wildnis viel zu gefährlich - das alles suggeriert uns unsere heutige Welt. Dabei ist die Wildnis der wahre Schatz auf unserem Planeten von dem wir noch so viel lernen können. Kein Ratgeber, Buch, oder Weisheit besitzt die Fähigkeit uns das zu lehren wozu die Natur im Stande ist. Natur bedeutet Leben. Eine Schnecke die sich langsam durch das Gras schiebt, kann uns zeigen mit welchem Tempo wir uns heute gesund durch den Alltag bewegen sollten. Die Wildnis ist nicht nur ein Ort, sondern sie ist unser bester Freund mit dem wir in aller Stille reden können. Wir müssen uns auf diesen Freund einlassen und den Mut haben, uns von der künstlichen Welt zu lösen. Wildnis hat ja auch zuletzt etwas mit der Bereitschaft zu tun, sich etwas Neuem zu stellen.

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Natur ist so lebenswichtig wie Wasser und gutes Brot.

All die Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse die wir in dieser unberührten Welt sammeln können haben einen großen Einfluss auf unser weiteres Leben. Der Aufenthalt in der Wildnis ist ein prägender Augenblick in dem wir geerdet werden. Hier geht es nicht um Geld oder Status. Es geht darum das wir wieder an unseren eigenen Ursprung zurückkehren, an dem wir völlig frei aus uns herausleben können bis wir unsere eigene Persönlichkeit intensiv kennengelernt haben. Die Wildnis ist romantisch, gefühlvoll, stark, grausam und unberechenbar – wie das Leben zuhause, nur ohne Ablenkung. Es gibt tausende Orte auf diesem Planeten, aber nur in den wilden Landschaften bekommen die Bilder in unseren Köpfen Formen. Dort atmen wir, fühlen wir, und erkennen was wirklich im Leben zählt. Wenn wir den Mut haben die Wildnis wieder für uns zu entdecken, dann können wir endlich aufbrechen in unser eigenes Leben, das es verdient gelebt zu werden. Die Wildnis ist „so lebenswichtig wie Wasser und gutes Brot“, sie ist wertvoll, so wertvoll, dass wir sie bewahren müssen, um auch die Verbindung zu uns selbst nicht zu verlieren.

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