REISE ZUR MÄNNLICHKEIT

Am liebsten reise ich zu Fuß durch wilde Landschaften. Ich will die gelassene, aber auch die raue Natur spüren und alles auf mich wirken lassen. Egal zu welcher Jahreszeit, ich entferne mich bewusst und regelmäßig von zu Hause und begebe mich auf kleine oder auch auf große Expeditionen. Die Reisen ins Unbekannte, über Kartenausschnitte hinaus, an Orte, an die bisher nur wenige Menschen vorgedrungen sind, sind Reisen, wie ich sie liebe. Es ist der Ruf der Wildnis oder der meines archaischen Ichs des wilden Mannes, der mich aufstehen lässt und mich auffordert aufzubrechen. Zu Fuß habe ich Zeit, über das Leben und die Welt nachzudenken. Ich mache mir Gedanken über das Bild des Mannes in unserer Gesellschaft. Es entwickelt sich in eine völlig falsche Richtung und wir sind auf dem besten Weg, die Maskulinität abzuschaffen. Kleine Jungs werden zu brave Buben herangezogen, aber nicht zu Männern. Männliche Aggression, Wildheit und Stärke werden unterdrückt und bewusst gebändigt. Männer sollen weiche, einfühlsame und offene Wesen sein, dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden, aber was passiert mit den wahren männlichen Wurzeln? Wenige Männer zeigen heutzutage noch Risikobereitschaft und kommen selten in ihre Kraft. Ausbruch aus der Komfortzone? Fehlanzeige!

Schritt für Schritt bewege ich mich durch die Natur, die immer da ist, wenn nichts im Leben sicher scheint. Der Gipfel, den ich vor mir sehe, ist noch ungefähr dreißig Meter entfernt. Ich schreie so laut ich kann, während ein heftiger Sturm kleine Eiskristalle mit Lichtgeschwindigkeit in mein Gesicht bläst. Der Schrei verläuft sich im arktischen Wind und ich stütze mich auf meine flatternden Wanderstöcke. Welch eine unangenehme Situation. Ich halte es nicht mehr aus. Minutenlang stemme ich mich gegen die heftigen Böen, bis ich mich schließlich auf meine Knie fallen lasse und mich flach auf den Boden werfe. Ich kann mich nicht erinnern, einen derart heftigen Sturm jemals erlebt zu haben. Das aufrechte Gehen ist ab hier nicht mehr möglich. Meinen initialen Plan, auf den Gipfel zu marschieren und dort zu nächtigen, habe ich in diesem Augenblick verworfen. Auch werde ich den Gipfel so kurz vorm Ziel wahrscheinlich nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ich robbe auf allen vieren in eine geschützte Senke und zücke meine Kamera, ich möchte den Moment festhalten, aber es ist unmöglich, wackelfreie Bilder einzufangen. Es dauert nur wenige Minuten, bis ich gänzlich vom aufgewehten Schnee überdeckt bin. Ich blicke durch meine Schneebrille, welche die Umgebung in einem freundlichen Gelbstich erscheinen lässt und sehe ein überwältigendes Winter-Panorama, das sich aus mächtigen Hügeln, weiten Wäldern und purem Eis zusammensetzt. Der Farbstich in der weißen Landschaft hilft mir, motiviert zu bleiben, um vielleicht doch noch das ein oder andere Bild von dieser wilden Umgebung zu erhaschen.

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DER GLAUBE AN SICH SELBST

Solche Augenblicke prägen und berühren. Sie dienen dafür, dass wir die Welt verstehen und begreifen können, und sie sind besser als jedes Ratgeber-Buch oder ein Lehrer es jemals erklären könnte. Sie manifestieren sich unumgänglich im eigenen Dasein und tragen dazu bei, die eigene Maskulinität nicht zu vergessen. Es geht darum authentisch zu sein, sich herauszufordern, die lebendige Energie der Männlichkeit zu leben und dem Feminismus müde entgegen zu lächeln. Der Mann ist nicht die bessere Frau. Männer, die Kontakt zu sich selbst haben und das Feuer und die Leidenschaft in sich tragen, um eigene Lebensideen und Visionen zu realisieren, sind zu wahren Raritäten geworden. Wie ein seltener Fund aus dem Museum, einen Wikinger, der gerne mal rebellisch ist, findet man nur noch selten einen Mann der seinen eigenen Weg sucht und Verantwortung übernimmt. Einer, der austeilen und einstecken kann. Bist du einer dieser Goldstücke? Dann bist du ein Mann, der mit beiden Beinen im Leben steht und nicht fremdgesteuert ist. Du bist ein Mensch, der sein Herz öffnet, Gefühle zeigen kann und keine Angst davor hat, verletzlich zu sein. Anders als die immer lächelnden und supernetten Ja-Sager sind solche Männer keine Weicheier, sondern einzigartige Charaktere. Wer das weiß und sich von dem Mainstream und den Erwartungen der Gesellschaft entfernt und die Weite sucht, um sich selbst zu erkennen, der ist auf einem guten Weg des Mannseins.

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Langsam lässt der Wind ein wenig nach und ich positioniere den Sucher, meine Kamera, an mein rechtes Auge. Ich halte die Luft an, um nicht zu verwackeln, doch in dem Moment, als ich abdrücken möchte, ruiniert eine weitere Windböe meine Bildkomposition. Es benötigt viel Geduld, bis ich brauchbares Fotomaterial zusammen habe. Ich frage mich: „Warum mache ich das eigentlich?“ Wieso bin ich hier und nicht irgendwo anderes? Die Antwort ist einfach, ich tue das, was ich liebe und fotografiere dabei wilde Landschaften. Ohne Filter fange ich die raue Wirklichkeit dieses wunderbaren Planeten ein. Und während ich durch die Wildnis irre und die Farben und Strukturen der Landschaft auf mich wirken lasse, wird mir plötzlich bewusst, dass die Kernsubstanz eines glücklichen Lebens der Glaube an sich selbst ist. Vor meinen Augen zieht diese Erkenntnis vorbei. Der Glaube ist dabei nicht der religiöse Glaube, sondern vielmehr das Wissen darüber, was zu tun ist, wenn man tief fällt. Wie man sich aufrafft, eigene Verantwortung übernimmt und buchstäblich Berge versetzen kann, um das Ziel, dass man sich gesetzt hat, auch tatsächlich zu erreichen. Ob beruflich, in einer Beziehung, bei einer Krankheit oder auf dem Weg zum Mannsein, der Glaube an sich selbst ist die Hoffnung, die sprichwörtlich zuletzt stirbt. Wenn man weiß, dass man sich selbst hat, dann ist das vollkommen genug. Aus diesem Grund ist es essenziell, sich loszureißen, ganz nach dem Motto meiner Lebensphilosophie, um seinen Geist anzuregen und ein gutes Gefühl für sich selbst zu bekommen.

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ZURÜCK ZUR KRAFT

Hurra, und da kommt das Licht, auf das ich gewartet habe. Die magischen Farben des Nordens, die nur jenseits des 60. Breitengrads existieren, entfalten sich am Horizont und umhüllen die wilde Winterlandschaft. Die Szenerie ist magisch und ich komme aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Schon oft habe ich die Wildnis fotografiert, doch bin ich immer wieder aufs Neue fasziniert. Davon bekomme ich nie genug. Es ist die Kraft der Kälte, die mich fesselt und mir zu einem unbeschreiblichen Freiheitsgefühl in diesem doch eher ungemütlichen Moment verhilft. Ist das Männlichkeit? Ist das der Glauben an sich selbst? Vielleicht. Doch Fakt ist das Männer ihrem Urinstinkt, welcher von Antrieb und Wildheit geprägt ist nachgehen sollten. Sonst verkümmern sie, werden labil, kraftlos und nicht selten endet dieser Zustand in einer Depression. Also runter von der Couch, raus aus der Passivität und mal etwas wagen! Es ist vollkommen okay, der Frau nicht immer den Hof zu machen, kein Ja-Sager zu sein und auch mal positiv aggressiv und egoistisch zu sein, um seinen eigenen Weg zu finden. So kommt der Mann wieder in seine Kraft. Der Glaube an sich selbst ist dabei ein ausschlaggebender Punkt. Niemals selbst aufgeben, Feuer aus allen Rohren, die Energie spüren und Lebendigkeit genießen. Kapitulieren solltest du als Mann nie. Dieses Credo muss in deiner DNA verankert sein. Immer an sich und den eigenen Erfolg zu glauben, sollte quasi zur Standardausrüstung eines jeden Menschen gehören. Ganz unabhängig ob Mann oder Frau. Und so überrascht es wohl kaum, dass ich jeden und ganz besonders die Männer inspirieren möchte in aussichtslosen und festgefahrenen Lebenssituationen den Blick nach vorne zu bewahren. Denn mit einer positiven Einstellung und der eigenen Kraft kann aus einem kleinen Fünkchen Hoffnung selbst das größte Licht entstehen.

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Es ist mittlerweile unausstehlich am Berghang. Ich krieche hinter einen schützenden Felsen, um meine Kamera in der Daunenjacke zu verstauen. Ich bereite mich für den Abstieg vor. Mit gesenktem Kopf erhebe ich mich aus meiner Schutzhaltung und manövriere vorsichtig den Berg hinunter. Ich versuche aufrecht zu laufen, während der Wind mich wie ein wildes Huhn durch die eisige Welt peitscht. Er kommt aus allen Richtungen und nach jeder Böe muss ich mich neu orientieren. Erst werde ich fünf Meter nach links, dann drei Meter zurück und schließlich ruckartig nach rechts katapultiert. Wie ein Besoffener, der aus einer Kneipe torkelt, taumele ich durch die gefrorene Wildnis. Mein Gesicht ist steifgefroren. Die gefühlte Temperatur? Zu kalt! Ich suche Schutz in der Baum-Zone, in der ich mein Zelt nur mit großer Mühe aufschlagen kann. Im Schutz der Bäume dauert es dennoch fast zwei Stunden, bevor ich in meinen Unterschlupf steige, um mir eine wohlverdiente Mahlzeit zu kochen. Dieser Wind ist beeindruckend herausfordernd.

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Ich lasse den Tag Revue passieren, während ich die köstliche norwegische „Freia Melkesjokolade“ genieße. Das Zelt flattert im Wind, aber im Inneren bin ich sicher. Dieser Planet ist so lebendig und wenn man nur will, dann kann man diese Energie auch selbst spüren lernen, um wieder in die eigene Kraft zu gelangen. Für einen Mann sind solche Ausflüge lebenswichtig. Mein Erlebnis soll nur als Inspiration dienen, denn jeder sollte selbst verstehen, was einem guttut und jeder sollte sich bewusst die Zeit nehmen, um auf diese Ausflüge als Mann nicht zu verzichten. Vielleicht geht es dir darum, deine fotografischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln, zu Angeln, die Natur zu erkunden, Sport zu treiben oder mal ein Museum zu besuchen oder sogar ein Buch zu schreiben? Egal was es ist, reiß dich los! Wichtig dabei ist, nicht abzuwarten, nicht zu verharren, nicht zu schweigen und sich nicht vollquatschen zu lassen, was sonst noch zu tun ist. Sondern machen! Solch ein Ausflug funktioniert solo, aber auch mit männlicher Begleitung. Bist du Vater oder Sohn? Dann nimm deinen männlichen Blutsverwandten ersten Grades mit auf ein echtes, intensives und prägendes Vater-Sohn Abenteuer. Umgeben von schöner Natur oder fremden Kulturen ist das eine Reise zweier Generationen, deren Wurzel die Männlichkeit ist, die durch eine positive archaische Energie getragen wird. Gemeinsam loslassen, nah am Herzen sein und in der männlichen Kraft leben. Das sind die Zutaten für ein authentisches Leben, an denen keine Stolpersteine oder Ausreden kleben bleiben. Es ist die Reise zurück zum Anfang, zum Ursprung der eigenen Männlichkeit, da wo ein klares „Ja“ oder „Nein“ die Richtung definiert und es auch mal rau zu geht.

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